Die Bedeutung der Dialogfähigkeit – gestern, heute und morgen

 
Erscheinungsdatum: 09.11.2020 | Lesedauer: 5 Minuten

Wenn Sie das folgende Zitat lesen – überlegen Sie bitte, wann es geschrieben worden sein könnte.

„Wir wollen lernen, miteinander zu reden. Das heißt, wir wollen nicht nur unsere Meinung wiederholen, sondern hören, was der andere denkt. Wir wollen nicht nur behaupten, sondern im Zusammenhang nachdenken, auf Gründe hören, bereit bleiben zu neuer Einsicht zu kommen. Wir wollen uns innerlich versuchsweise auf den Standpunkt des anderen stellen. Ja, wir wollen das uns Widersprechende geradezu aufsuchen. Das Ergreifen des Gemeinsamen im Widersprechenden ist wichtiger als die voreilige Fixierung von sich ausschließenden Standpunkten, mit denen man die Unterhaltung als aussichtslos beenden kann.“ *

Vielleicht haben Sie an die aktuelle Situation in den USA gedacht – ein Ausschnitt aus der Rede Joe Bidens? Vielleicht an das Statement einer Start-up Gründerin, die beschreibt, wie Produktentwicklung in ihrem Unternehmen gelingt?

Geschrieben wurde dieser Text 1946 von Karl Jaspers. Er setzte sich mit der Frage auseinander, wie die Deutschen wieder zueinander finden können: durch tiefgreifende Veränderung ihres Diskussionsverhaltens und durch schonungslose Ehrlichkeit – so seine Einschätzung.

Ehrlichkeit, der Verzicht auf Leugnung sind in Veränderungsprozessen auch der erste Schritt. Die von Karl Jaspers formulierten „Regeln für Kommunikation“ sind heute so relevant wie gestern. Und sie beschreiben eine Gesprächskultur, in der Neues entstehen kann. Konzepte. Produkte. Verständnis.

* zitiert nach Jähner, Harald: Wolfszeit, Rowholt Verlag, Berlin 2019, S. 409

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